Wie funktioniert ein Streichinstrument – “Warum sind alle verschieden?”

Wenn ein Ton auf einem Streichinstrument gespielt wird, dann regt die Bogenbewegung die Saite zu einer harmonischen Schwingung an. Der Grundton erklingt mit seinen sich im gleichen Frequenzabstand wie der Grundton aufeinander aufbauenden Obertönen. Die Stärke dieser Saitenobertöne ist nicht festgelegt, sondern hängt von folgenden Faktoren ab: Design der Saite an sich, Bogendruck, Bogengeschwindigkeit, Bogenposition und Fingerkontakt auf der Saite. Ein guter Musiker besitzt die Fähigkeit, die relative Stärke dieser Saitenobertöne zu beeinflussen. Der Klang, den die Saite produziert ist kaum hörbar. Der Klangkörper des Streichinstrumentes sorgt für die Verstärkung der Saitenvibration, die er über den Steg erhält. Resonanzen sind starke Vibrationen, die in jedem Objekt vorkommen, das mit Kräften in Berührung kommt. Wird zum Beispiel eine 440 Hz “A” Stimmgabel angeschlagen, dann bewegen sich die beiden Arme 440mal pro Sekunde hin und her. Eine Stimmgabel hat nur wenige Resonanzen, während Streichinstrumente mehr als hundert besitzen. Wird eine Saite angestrichen und einer ihrer Obertöne trifft auf eine Resonanz des Klangkörpers, dann wird diese Frequenz verstärkt. Hier liegt der große Unterschied z.B. zwischen einem Hifi-Verstärker und einem Streichinstrument. Während der Verstärker jede Frequenz gleichermaßen verstärkt, verstärkt das Streichinstrument selektiv nur dort, wo seine Resonanzen liegen. Der Musiker besitzt keine Kontrolle über die Resonanzen des Klangkörpers, die im Resonanzprofil eines jeden Instruments festgelegt sind. Er kann nur über die schwingende Saite Einfluss nehmen.
Jedes Streichinstrument besitzt seine ganz eigene Kombination von Resonanzen — das ist der Grund dafür, dass jedes auch anders klingt und jeder Ton sich anders in seiner Obertonstruktur aufbaut.

Bildbeschreibung: Hier sieht man, dass die Stärken der Resonanzen sehr stark variieren. Es gibt z.B. starke Resonanzen bei 270Hz, 450Hz und 550Hz. Dies bedeutet, dass jeder Grund- oder Oberton, der von der Saite bei diesen Frequenzen auf den Korpus übertragen wird, verstärkt wird. Auf der anderen Seite gibt es keine Resonanzen bei 500Hz, also werden Saitenschwingungen dieser Frequenz nicht verstärkt.


Modalanalyse – Schallabstrahlung

In unserer Werkstatt haben wir verschiedene moderne Technologien eingeführt, die uns helfen mehr über Streichinstrumente herauszufinden. Modalanalyse ist der Prozess, Resonanzeigenschaften von Objekten zu beschreiben. Wir nutzen diese Technik, um dynamische Messungen an Instrumenten vorzunehmen und verarbeiten diese mit Hilfe eigens entwickelter Computersoftware. Wir können am Computer verfolgen, wie sich ein Instrument bei jeder Resonanz „bewegt”.Dies hilft uns dabei, Veränderungen vorzunehmen, um den Klang eines Instruments zu verbessern. Modalanalyse ist ein sehr effektives Werkzeug, da die Resonanzen von Instrumenten die Grundlage für ihre klanglichen Charakteristika sind.
Weiter ist das Sichtbarmachen von Schallabstrahlung und –Intensität an Streichinstrumenten in Form von Frequenzspektren ein effektiver Zusatz zum Hören von Veränderungen an Streichinstrumenten. Wir nutzen unsere selbst geschriebene Software zum Erfassen dieser Messungen.


Vibrato – “Spielen mit Resonanzen”

Vibrato bereichert den Ton eines Musikers ansprechend mit Farben und Volumen. Einige Geigen sind besser geeignet als andere einen schönen Vibratoeffekt zu zeigen. Um zu sehen warum, ist es wichtig zu verstehen was passiert, wenn ein Musiker Vibrato spielt. Wie im Artikel „Wie funktioniert ein Streichinstrument” beschrieben, werden nur diejenigen Grund- und Obertöne der Saitenschwingung verstärkt, die mit den Resonanzen des Klangkörpers übereinstimmen. Dies liegt an der einzigartigen und unregelmäßigen Struktur der Resonanzprofile eines jeden Streichinstruments. Jedes Instrument und sogar jeder Ton hat seinen ganz eigenen Charakter, weil Grund- und Obertöne jedes Einzeltones an anderen Stellen des starren Resonanzprofils eines Klangkörpers liegen. Spielt ein Musiker Vibrato, dann verändert er die Frequenz des Grundtones mitsamt seiner Obertonstruktur ober- und unterhalb des gespielten Tones, dabei verschieben sich die höheren Obertöne mehr als die niedrigen. Diese sich auf der Frequenzachse schnell nach oben und unten verschiebenden Frequenzen treffen dann manchmal mit Körperresonanzen zusammen und manchmal nicht. Dies hat zur Folge, dass Vibrato nicht nur die Frequenz moduliert, sondern auch die Amplitude. Instrumente mit einer sehr unregelmäßigen Resonanzstruktur haben deshalb größere Veränderungen in ihrer Amplitude und zeigen einen volleren und reicheren Ton.


Klangelemente

Unserer Meinung nach müssen mindestens sechs wichtige Kriterien erfüllt sein, damit die Klassifizierung „Konzertinstrument“ zutrifft — für ein Instrument, das von Kammermusik bis zum virtuosen Solokonzert eingesetzt werden kann.
Tragfähigkeit:
Das erste Kriterium für ein Konzertinstrument ist, dass es in der Lage ist, seinen Ton bis in die entferntesten Ecken des Konzertsaales zu tragen und sich gegen ein Orchester mit voller Besetzung durchzusetzen.
Tonqualität:
Tonqualität und –farbe sind von allergrößter Wichtigkeit, wenn es darum geht, Musiker und Zuhörer emotional anzusprechen. Der Musiker ist umso besser in der Lage, Gefühle zu zeigen und mit seinem Instrument und damit auch mit seinem Publikum zu kommunizieren, je besser die Tonqualität eines Instruments ist.
Dynamik:
Um einem Künstler darin zu unterstützen, den gefühlsmäßigen Inhalt seiner Musik auszudrücken, muss ein Konzertinstrument eine möglichst große Bandbreite an Klangkräften von ppp bis fff haben. Hier ist besonders Wichtig, dass jede Lautstärke ihren eigenen Charakter besitzt und der Pianoklang nicht eine leisere Wiederholung des Fortissimos am Steg ist.
Artikulation:
Virtuose und schnelle Passagen in einem Solokonzert sind besonders faszinierend, wenn der Musiker und auch der Zuhörer in der Lage ist, die verschiedenen Töne als einzelne herauszuhören.
Klare Artikulation ist die Grundlage, um delikate und komplexe Strukturen in der Musik darzustellen.
Vibratoeffekt:
Die Ausdruckskraft eines Künstlers hängt sehr stark von seinem Vibrato ab. Ein Instrument muss leicht und intensiv auf Vibrato reagieren, um eine größere Bandbreite an Tonfarben und Klangvolumen hervorzubringen.
Klangoptimierung:
Die Leichtigkeit, mit der ein Musiker seinen Ton hervorbringt, und der Ton, den er „unter dem Ohr“ erfährt in Verbindung mit dem Gefühl, wie sein Instrument am Körper vibriert, ist wichtig für ein Einswerden mit seinem Instrument. Einstellungsdetails, wie u. a. Steg und Stimme, sind einflussreiche Werkzeuge dabei, das Optimum an Klang für jeden Musiker aus seinem Instrument herauszubekommen und mit seiner Persönlichkeit zu verbinden.
Alle oben genannten Kriterien sind miteinander verbunden und nur in Zusammenhang zu bringen, wenn man versteht, wie ein Streichinstrument funktioniert und was passiert, wenn ein Musiker sein Instrument spielt.


Publikationen

  • “Test of Character”  The Strad, April 2000
  •  Strings Magazine  No. 84 Feb/March 2000
  • “Gold fingers”  The Strad, August 2001
  • “Trade Secrets – Fitting tuning pegs”  The Strad, October 2006
  •  String & Bow No.120 www.eumyoun.com, February 2009
  • “Trade Secrets – Making a top nut”  The Strad, November 2013
  • ” The language of sound”  The Strad, July 2014